Hilfe für Einsatzkräfte
Ein Leben für die Gesundheit der Helfer
Sein Herz schlägt für die Feuerwehr und sein Engagement gilt der Krebsprävention von Feuerwehrmännern und -frauen. Marcus Bätge ist seit über 30 Jahren Feuerwehrmann bei der Berufsfeuerwehr in Hamburg. 2016 gründete der angehende Brandinspektor die FeuerKrebs gUG, eine gemeinnützige Gesellschaft, die seitdem Aufklärungsarbeit über das erhöhte Krebsrisiko bei Einsatzkräften leistet und Betroffenen unbürokratisch hilft. Zudem setzen sich Bätge und sein Team für eine gesetzliche Grundlage zur Entschädigung ein. Sie möchten in Deutschland eine Anerkennung bestimmter Krebsarten als Berufskrankheit erwirken. Warum das trotz internationaler Studien schwierig ist, erklärt er im Interview.
Im Juni 2022 hat die International Agency for Research on Cancer (IARC), eine Einrichtung der WHO, die Arbeit von Feuerwehrleuten als “bekanntermaßen krebserregend für den Menschen” (Stufe 1a) eingestuft. Welches Signal hat diese Einstufung der IARC für die Anerkennung bestimmter Krebsarten als Berufskrankheit in Deutschland?
Das geht nahezu gegen Null. Die Einstufung der IARC wurde, ohne es groß öffentlich zu kommentieren, zur Kenntnis genommen, von manchen Rezipienten sogar als Panikmache abgetan. Die Erkenntnisse der IARC sind für die hiesigen Instanzen nicht ausreichend, da keine deutsche Expertise mitgewirkt hat. So z. B. für die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), die als Dachorganisation der Feuerwehrunfallkassen für die Abwicklung von Versicherungsfällen zuständig ist. Sie geht davon aus, dass 10-20 Löscheinsätze pro Jahr – wie bei kleineren Feuerwehren üblich – unzureichend sind, um sie in Relation zur Krebserkrankung zu setzen.
Das heißt, es ist keine unbürokratische Hilfe wie z. B. in Kanada in Sicht. Dort werden mittlerweile 19 bestimmte Krebsarten als Berufskrankheit bei Feuerwehrleuten anerkannt. Wo können sich Betroffene in Deutschland hinwenden?
Kanadische Feuerwehrleute mit einer Krebserkrankung, bspw. Leukämie und einer langjährigen Feuerwehrtätigkeit, sind durch den kanadischen Staat abgesichert. Mit Krebs diagnostizierte Feuerwehrleute in Deutschland wenden sich mit einer Anzeige über ihren behandelnden Arzt an ihren Unfallversicherungsträger bzw. ihre Berufsgenossenschaft. Aber da in Deutschland keine Krebsart für die Feuerwehrtätigkeit als Berufskrankheit eingestuft ist, müssen sie aktiv den Nachweis erbringen (Beweislast), dass die Krankheit aufgrund ihrer Tätigkeit als Einsatzkraft ausgebrochen ist. Fragen wie: „Sind Sie Raucher?“, „Hantieren Sie in Ihrer Freizeit mit Schmierstoffen z. B. beim Instandsetzen von alten Fahrzeugen“ etc. müssen von den Betroffenen beantwortet werden. Da wird ganz genau hingeschaut und es müssen alle anderen Tätigkeiten als Krankheitsgrund ausgeschlossen werden.
Freiwillige Feuerwehrleute haben es noch schwerer. Da sie eben nicht bei einer Berufsfeuerwehr arbeiten, können sie im Falle einer Krebserkrankung diese nicht als Berufskrankheit anerkennen lassen. Sie können sich an die Feuerwehrunfallkasse oder an ihre Krankenversicherung wenden. Sie sollten in ihrer aktiven Phase darauf achten, dass ihre Namen bei Einsätzen mit krebserzeugenden Stoffen in einer Expositionsdatenbank registriert werden. Das ist sogar vom Gesetzgeber durch die Gefahrstoffverordnung vorgeschrieben. Das betrifft auch andere, an der Gefahrenabwehr beteiligte Organisationen, zum Beispiel den Rettungsdienst, das THW oder in Teilen die Polizei.
In der Zentralen Expositionsdatenbank (ZED) können Arbeitgeber Mitarbeitende, die krebserzeugenden Stoffen ausgesetzt sind, erfassen. Ist das Eintragen in die Zentrale Expositionsdatenbank bei Freiwilligen Feuerwehren gängige Praxis?
Leider nein. Obwohl der Gesetzgeber seit 2006 per Gefahrstoffverordnung eine Dokumentation fordert. Die DGUV bietet dieses Verzeichnis kostenlos an. Der Einsatzleiter einer Feuerwehr ist verpflichtet, die Namen aller an einem Brandbekämpfungseinsatz Beteiligten zu dokumentieren. In der Realität geschieht das sehr oft nicht oder nur lückenhaft z. B. wird der Angriffstrupp eingetragen, andere beteiligte Kräfte jedoch nicht. Auch wenn es die Anforderung seit 2006 gibt, heißt das noch lange nicht, dass es jeder weiß und auch so befolgt. Viele Gemeinden und Einsatzleiter wissen es nicht. Die Berufsfeuerwehr Hamburg macht die Einträge in die ZED seit 2019.
Sie haben 2016 FeuerKrebs gegründet, eine gemeinnützige Gesellschaft mit dem Ziel, über das erhöhte Krebsrisiko bei Einsatzkräften aufzuklären und Betroffenen unbürokratisch zu helfen. Wie sieht Ihre Arbeit genau aus?
Unsere Arbeit stützt sich auf drei Säulen. An erster Stelle steht die Aufklärungsarbeit. Wir informieren die Mitglieder der Feuerwehren über die Krebsgefahr und klären über die Folgen bei fehlender Einsatzhygiene und einen unbedarften Umgang mit Kontaminationen und Kontaminationsverschleppungen auf. Wir möchten bei den Einsatzkräften ein „neues“ Bewusstsein wecken und sie zum Umdenken anregen. Das machen wir vornehmlich auf Informationsveranstaltungen bei Feuerwehren, aber auch bei anderen Institutionen des öffentlichen Lebens. Auf Versammlungen mit politischem Entscheidungscharakter ist die Fachexpertise unserer Gesellschaft mittlerweile sehr gefragt – auch außerhalb Deutschlands. Bei öffentlichen Events, „Tagen der offenen Tür“ oder Feuerwehrsportveranstaltungen kommen wir mit den interessierten Teilnehmenden ins Gespräch und leisten auch da Aufklärungsarbeit zum Thema Einsatzhygiene. Das Internet und die Sozialen Medien helfen uns, wissenschaftliche Arbeiten und neueste Erkenntnisse zu teilen und mit Feuerwehrleuten und Interessierten weltweit zu diskutieren.
Der zweite wichtige Schwerpunkt ist die Vermittlung von Hilfs- und Therapieangeboten für an Krebs erkrankte Einsatzkräfte und ihre Angehörige. Leider werden sie mit den Folgen häufig allein gelassen. FeuerKrebs® leistet psychologische, rechtliche und gegebenenfalls finanzielle Hilfe. Unser Ziel ist es, für erkrankte Feuerwehrangehörige Versorgungs- und Entschädigungsansprüche durchzusetzen, bis hin zu einer Anerkennung als Berufskrankheit durch gesetzliche Regelungen – vorausgesetzt alle Maßnahmen für den Gesundheits- und Arbeitsschutz, in Form einer konsequent durchgeführten Einsatzhygiene, wurden zuvor umgesetzt!
Drittens arbeiten wir mit Herstellern zusammen und stehen im Dialog mit Händlern von feuerwehrtechnischem Gerät und Konfektionären von Feuerwehrbekleidung. Gemeinsam verbessern wir die Schutzwirkung von Ausrüstung sowie deren Anwendungskomfort.
"Meiner Meinung nach braucht es keine neuen Studien. Wir können uns an die internationalen wissenschaftlichen Untersuchungen und die Einschätzung der IARC halten. Sie sind eindeutig."
Warum ist in Deutschland eine gesetzliche Anerkennung als Berufskrankheit für den Feuerwehrdienst Ihrer Meinung nach bis jetzt nicht erfolgt?
Berufskrankheiten sind Erkrankungen, die Versicherte durch ihre berufliche Tätigkeit erleiden und die in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) aufgeführt sind. Ursache dafür können verschiedenste gesundheitsschädliche Einwirkungen sein. Ob eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden kann, entscheiden die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.
Eine Berufskrankheit wird anerkannt, wenn sie durch die gesundheitsschädlichen Einwirkungen am Arbeitsplatz verursacht worden ist. Dies haben die Unfallversicherungsträger zu prüfen. Für die Anerkennung muss Folgendes festgestellt werden:
- Bei den Versicherten liegt eine der in der BKV aufgeführten Krankheiten vor
- Die Versicherten waren an ihrem Arbeitsplatz den entsprechenden schädigenden Einwirkungen ausgesetzt
- Zwischen der Tätigkeit am Arbeitsplatz, den Einwirkungen und der Entstehung der Krankheit besteht ein ursächlicher Zusammenhang.
Nach unserer Lesart treffen alle diese erforderlichen Umstände für den Feuerwehrdienst zu. Die Bundesregierung wird von Gremien beraten, die keine medizinische Kausalitätsprüfung durchführen, sondern überwiegend nach Aktenlage entscheiden. Eine Einzelfallprüfung kommt selten infrage und hängt überwiegend auch vom Sachbearbeiter ab. Meiner Meinung nach braucht es keine neuen Studien. Wir können uns an die internationalen wissenschaftlichen Untersuchungen und die Einschätzung der IARC halten. Sie sind eindeutig.
Für die Anerkennung muss das Siebte Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) § 9 Berufskrankheit geändert werden. Bei einer Anerkennung geht es um viel Geld für Therapiemaßnahmen und Versorgungszahlungen. Dieses Geld liegt nicht vor. Aus welchen Gründen auch immer, wird dann doch das Ehrenamt nicht so wertgeschätzt, wie es der Fall sein sollte.
Noch ein Hinweis zum Schluss: Ist eine Erkrankung nicht in der Berufskrankheiten-Liste aufgeführt, kann eine Anerkennung "wie" eine Berufskrankheit infrage kommen. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen möglich, wenn über die Ursachenzusammenhänge neue allgemeine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen. Ein Zusammenhang nur im Einzelfall reicht nicht aus.
Die laut IARC mit Gewissheit krebsverursachenden Krebsarten:
- Mesotheliom
- Harnblasenkrebs
Krebsarten mit begrenzter Evidenz für Krebs beim Menschen:
- Dickdarmkrebs
- Prostatakrebs
- Hodenkrebs
- Melanom der Haut
- Non-Hodgkin-Lymphom
Links für Einsatzkräfte zur Krebsprävention
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